Samstag, 18. Juni 2016

Von Plitwicka Jezera über Split nach Dubrovnik

Wir schlafen wunderbar in dieser Pension, überhaupt hatten wir seit Anbeginn dieser Reise bisher immer Glück mit der Qualität der Betten. Mich weckt ein Sonnenstrahl und die Bewegung des Schattens der Baumäste, der durch das Fenster fällt, dazu der süsse Gesang einer Nachtigall. Das Frühstück ist wieder etwas Besonderes in diesem Haus, darauf wurde übrigens schon auf der Homepage dieser Pension hingewiesen. Es gibt wieder von dem wunderbaren Schinken, lokale Wurstwaren und insbesondere einen schmackhaften Frischkäse von der Art, wie er nur in dieser Gegend produziert wird. Bereits gestern auf der Fahrt war mir übrigens aufgefallen, dass vor vielen Bauernhöfen Schilder mit den Aufschriften «Sir» (Käse) und «Med» (Honig) stehen, beide Ausdrücke sind mir aus dem Tschechischen geläufig.

Vom satten Grün zurück in den trockenen Karst
Wir sind fast ein wenig traurig, als wir dieses gastliche Haus verlassen, doch siegt die Neugierde auf das Kommende, unser nächstes Ziel ist die Stadt Split mit ihrem Diokletianspalast. Zuerst durchfahren wir wieder saftig grüne Landschaften mit tiefen Wäldern, doch dann – wir nähern uns der Adria – wechseln sie über in eine trockene Halbwüste mit Steinen, zwischen denen vereinzelte Büsche wachsen. Aus der Einsamkeit der Plitwitzer Seen geraten wir in Split in den Trubel einer Touristenstadt, das Navi führt uns zu einem offensichtlich antiken Gebäude, doch nirgendwo ist ein Parkplatz zu sehen, der Verkehr in der Stadt ist mörderisch. In meiner Not gelange ich in eine lange enge Sackgasse,
aus der ich mich nur durch eine heikle Fahrt mit dem Rückwärtsgang – zur Rechten eine Mauer, wenige Zentimeter zur Linken parkierte Autos – befreien kann. Endlich finde ich dann am Hafen doch noch einen öffentlichen Parkplatz, zufällig ist gerade ein Platz frei geworden.
Wir befinden uns direkt neben dem Diokletianspalast, der alte Kaiser wusste damals noch nicht, dass seine offizielle Adresse eines Tages «Dioklecijanova ulica 5» lauten würde, diese Adresse hatte ich ins Navi eingegeben. Doch zuerst ein Mal haben wir Durst und setzen uns an ein Tischchen eines der Cafés, welche an die Palastmauer anschliessen, unter dem Schutz eines grossen Sonnenschirms, der uns vor der Hitze der sengenden Sonne schützt. Wir bestellen beide ein Schweppes, dazu Sandwiches
Hose mit zufriedenem Gesicht
und betrachten in Ruhe die andere Strassenseite, die von zahlreichen Marktbuden gesäumt wird. Direkt gegenüber steht ein Mädchen hinter einem Tresen und bietet Smoothies an, sie langweilt sich sichtlich, da sie keine Kunden hat. Dann endlich kommt ein dicker junger Mann und bestellt, ich schiesse ein Foto, denn er steht dicht neben der Tafel, welche die schlankmachende Wirkung dieser Getränke anpreist, die Hose über seinem gewaltigen Hintern schlägt Falten, wie ich sie aus einer Zeichnung von Wilhelm Busch kenne, wo die Falten einer Hose alle möglichen Gesichtsausdrücke annehmen.

Nach dem Imbiss laufen wir zum Palast
Die Nebengasse entlang der Seitenfront des Palasts
zurück, biegen um eine Ecke seiner zyklopischen Mauer und befinden uns in einer Seitengasse mit vielen Marktbuden, welche entlang der antiken Mauer aufgestellt sind und die allen möglichen Touristenplunder verkaufen. Etwas weiter hinten gelangen wir dann durch ein grosses Tor ins Innere der Palastanlage, von der noch erstaunlich viele Teile erhalten sind. Es handelt sich übrigens nicht im eigentlichen Sinne um eine Ruine oder um ein Museum. Wie eine alte abgestorbene Eiche, in deren Höhlungen allerlei Getier haust, so ist auch dieser ehemalige Palast durchsetzt mit Leben, in seine Bögen wurden Läden und Cafés eingebaut, daneben stehen Häuser, in deren Front antike
Eingang zum Vorhof
Säulen integriert sind, ein Kellergewölbe ist zu einer Art orientalischem Bazar umgewandelt worden, wo Juweliere ihre Waren anbieten. Im hinteren Bereich gelangen wir in einen hohen Saal, der von einer offenen Kuppel gekrönt wird, im Zentrum eine Sängergruppe, bei der es sich um eine bekannte kroatischen a Capella Chor handelt. Sie beginnen zu singen, mit tiefen melodischen Stimmen, der Gesang erinnert an slawische Kirchengesänge und er gefällt uns so gut, dass ich nicht nur ein kurzes Video drehe sondern Illa auch eine CD der Gruppe kauft.

Im Innenhof des Diokletianspalasts
Nach zwei Stunden sind wir wieder unterwegs, die Strasse führt nun meist in Serpentinen entlang einer felsigen Küste, die von zahlreichen Inseln gesäumt ist, oft hat man eher das Gefühl von Seen, da die Inseln den Blick in die freie Adria verstellen. Es ist eine der schönsten Meeresküsten, die wir bis jetzt gesehen haben. Ganz plötzlich führt die Strasse aus der trockenen Halbwüste hinunter in eine weite grüne Ebene, die sich zu beiden Seiten eines breiten Flusses ausdehnt. Dies ist das Mündungsdelta der Neretva und sofort ist die Strasse von Marktständen gesäumt, an denen frisches Obst und leuchtend rote Tomaten angeboten werden. Leider verpasse ich rechtzeitig zu halten, denn ich würde gerne
Ein Gemisch von Zeitaltern
Gemüse für mein gewohntes orientalisches Frühstück mit Schafskäse und Oliven kaufen, denn plötzlich befinden wir uns auf der anderen Seite der Ebene, die Strasse führt wieder steil nach oben in die dürre Karstlandschaft. Wir halten vor dem «Market» eines kleinen Dörfchens, wo man die immer noch vorherrschende Kargheit der Lebensbedingungen der hiesigen Landbevölkerung sehen kann, denn sein armseliges Angebot erinnert an den früheren Ostblock. Ich kaufe ein Stück Brot, einen Hartkäse, eine Packung aufgeschnittener Salami und eine kleine Trockenwurst, denn wir wissen nicht, wie lange die Geschäfte in Dubrovnik am Samstag offen sind.

Zwei römische Kroaten
Plötzlich kommen wir wieder an eine Grenze, Bosnien-Herzegowina besitzt kurz vor Dubrovnik ein kleines Stück Meeresküste, nach wenigen Kilometern, kurz vor Dubrovnik, müssen wir schon wieder die Grenze zurück nach Kroatien überschreiten. Es versteht sich, dass wir dies wegen Illas abgelaufener Identitätskarte stets mit etwas Bauchgrimmen tun. Dubrovnik kündigt sich mit einer riesigen Hängebrücke an, ihr Name lautet «Most Dr. Franja Tuđmana» und sie ist dem zweifelhaften ersten Staatspräsidenten des neuen Landes gewidmet. Kurz darauf führt die Strasse schräg nach abwärts, seitlich davon ein tiefer Graben, hinter dem die hohen Mauern der Altstadt von Dubrovnik erscheinen. Es handelt sich um eine enge Einbahnstrasse und ich suche verzweifelt nach einem freien Parkplatz in der Nähe des Buza-Tors, da wir von diesem Tor den kürzesten Fussweg zu unserem Hotel haben. Endlich finde ich einen Parkplatz, jedoch funktioniert der Parkautomat nicht, ich muss eine ganze Strecke hochlaufen, um einen funktionierenden Apparat zu finden. Die Strafen sind hier nämlich drakonisch, auf einem Schild steht, dass ein Wagen, der länger als 10 Minuten ohne Parkschein angetroffen wird, mit der Bezahlung einer Tagesmiete bestraft wird, die immerhin gegen 50 Euro kostet.

Wir entladen das Nötigste aus unserem Wagen, Illa zieht den grossen Koffer auf Rädern, ich den kleineren und trage gleichzeitig meinen schweren Aluminiumkoffer in der linken Hand, so holpern wir über die groben Pflastersteine durch das Ploce-Tor in die Altstadt, gelangen auf den Stradun, die zentrale Strasse dieser Stadt, welche beim Ploce-Tor in der Nähe des Hafens beginnt und auf der anderen Seite der Stadt mit dem Pile-Tor endet. In diesem Moment hören wir Trommelwirbel, auf dem Stradun kommen uns fünf junge Männer in mittelalterlichen Landsknechttrachten entgegen, auf dem Kopf ein keckes Barett, Hellebarden geschultert. Offensichtlich ist dies der Brauch, der in Dubrovnik den Abend einläutet.

Ich weiss, dass unser Appartement an der Ulica Dropceva liegt, einem der kleinen Seitensträsschen, die seitlich vom Stradun nach oben führen. Nach einigen Rückfragen finden wir dann die Dropceva und sehen, dass es weniger eine Strasse als eine Folge von steil aufwärtsführenden Stiegenfluchten ist. Illa ist nun schon ziemlich müde, ich lasse sie mit den Koffern an einem Tischchen eines kleinen Cafés zurück. In der Zwischenzeit gehe ich auf Rekognoszierungstour, steige die Stiegen hoch, quere eine Parallelgasse zum Stradun, die voll mit Tischen zahlreicher Restaurants ist, die Dropceva führt aber noch weiter nach oben, erst nach zwei weiteren Stiegen stehe ich vor dem Eingang der «Old City Appartements». Die Tür ist jedoch geschlossen, ich versuche ergebnislos einen Telefonanruf, dann sehe ich ein Schild mit der Anweisung, bei geschlossener Tür beim darunterliegenden Restaurant vorzusprechen. Ich finde einem Kellner, der meine Meldung weitergibt, kurze Zeit darauf erhalte ich die Information, dass in wenigen Minuten der Empfang der Pension besetzt sein wird.

Ich laufe sofort zu Illa zurück, sie hat sich unterdessen bei einem kühlen Bier etwas erholt, als sie ihren Koffer die Stiegen hochtragen will – ich möchte dies nicht und will lieber zweimal laufen – kommt ein freundlicher junger Kroate und nimmt ihr den Koffer ab. So gelangen wir als kleine Prozession wieder nach oben, wo eine junge elegante Frau in einem kleinen Büro im Untergeschoss auf uns wartet. Sie hat gerade begonnen unsere Personalien aufzunehmen als plötzlich eine grosse Hornisse ins Büro hereinfliegt. Illa bleibt ruhig, die junge Frau aber wird fast hysterisch, beide verlassen sicherheitshalber das Büro, während ich meine unerschrockene Männlichkeit zur Schau stelle, indem ich mit einer dicken Touristenbroschüre versuche, das Tier an die Wand zu klatschen. Das Insekt entkommt mir immer wieder, endlich gelingt es mir, auf einem Stuhl stehend, den Eindringling zu erschlagen, die junge Kroatin hat auch jetzt noch soviel Angst, dass ich es in ein Papier einwickeln und so im Papierkorb entsorgen muss.

Anschliessend führt sie uns zu unserem Zimmer – leider wieder über zwei steile Treppen. Im Zimmer ein grosses Himmelbett, davor ein kleiner Salontisch mit einer grossen Couch. Seitlich eine Einbauküche und daneben das Bad. Es fällt uns sofort auf, dass sowohl Küche wie auch Bad von Riesen angelegt worden sind. Mit meinen 175 cm – ich bin altershalber schon um einige Zentimeter geschrumpft – kann ich im Badzimmerspiegel gerade noch die obere Hälfte meines Gesichts sehen, für Illa natürlich ein hoffnungsloser Fall. Dasselbe gilt für die Küche, wo ich die Gläser im untersten Regal gerade noch mit ausgestrecktem Arm berühren kann. Ich fühle mich wie Gulliver im Lande Brobdingnag. Illa findet dann zum Glück einen Spiegel neben dem Himmelbett.

Ich lasse Illa im Appartment zurück, damit sie sich ausruhen kann und steige die Stiegen der Dropceva diesmal zum Buze-Tor hoch, von dort ist nur noch ein kurzer Weg bis zu unserem Wagen, dessen Parkzeit bald abläuft. Ich will ihn zur «Public Garage» bringen, in der die meisten Besucher der Stadt ihre Autos unterbringen. Leider befiehlt mir das Navi nach rechts abzubiegen, ich gelange immer weiter den Hang hoch und ende am Schluss in einer Sackgasse. Also programmiere ich das Navi wieder auf den Ausgangspunkt, erreiche diesen auch, doch auch dieses Mal finde ich die richtige Einbahnstrasse nicht, die zur Public Garage führt. Dafür habe ich ein Inzident mit einem kroatischen Polizisten: ich bleibe einen Moment stehen, um einen Passanten nach dem Weg zu fragen, in diesem Moment beginnt ein anderer Mann, den ich als Polizist erkenne, aus vollem Halse zu brüllen, ich solle weiterfahren,  In meiner ersten Verwirrung lasse ich den Wagen ein Stück zurückrollen, hinter mir hupt ein Auto protestierend , worauf der Polizist noch mehr auf mich einbrüllt und auf mich zukommt. Da er meine Autonummer nicht sehen konnte, gebe ich einfach Gas
Die doppelten Befestigungsmauern von Dubrovnik, die Strasse, die zur Public Garage führt, verläuft im Graben
und lasse ihn brüllen. Erst im dritten Anlauf erkenne ich, dass die enge, wie eine Sackgasse aussehende Strasse, die direkt in den Festungsgraben unter der Stadtmauer führt, diese unterquert und beim Pile-Tor in den Platz mündet, den die Taxis und Autobusse anfahren. Von diesem Platz führt die
Illa ist sichtlich müde
einzige Einbahnstrasse nach oben, welche zur Public Garage führt. Dort kaufe ich ein Ticket für eine Woche und merke dabei, dass Dubrovnik keine billige Stadt ist, es kostet umgerechnet 200 Franken. Langsam laufe ich dann die abschüssige Strasse gegen das Buze-Tor hinunter, die alte Stadtmauer mit ihren Wehrtürmen liegt unter dem Licht des Mondes, ein unwirklich schönes Bild.


Wir haben heute keine grosse Unternehmungslust mehr, so steigen wir nur die Stiegen zur Querstrasse hinab und nehmen das Abendessen im Schein von Laternen ein, welche die Tische romantisch beleuchten. In
Die Gasse als endloses Restaurant
dieser parallel zum Stradun verlaufenden Gasse reiht sich ein Lokal ans andere, fast die gesamte Strassenfläche ist mit Tischen besetzt, nur in der Mitte führt ein enger Weg hindurch, ein schöner Anblick, wie sich das Licht der Laternen in der Ferne verliert. Wir wählen das uns nächste Restaurant namens Ragusa 2, zu welchem auch unser Appartement gehört und bestellen gegrillte Tintenfische, dazu zwei
grosse zischende Biere, welche die Lebensgeister wieder zurückbringen. Auf diese Weise haben wir die nötige Kraft, um die Stiegen hinauf zu unserem Himmelbett zu überwinden.

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