![]() |
Wartezeit vor dem Tunnel |
Eine kleine Mücke ist schuld, dass wir bereits kurz nach 6
Uhr auf der Strasse sind. Sie weckt mich gegen 4 Uhr mit ihrem durchdringend
hohen Ton und – wie die Bewohner von London beim Anflug einer V1 – warte ich
auf das Aussetzen des Geräusches, um sie vor Ausführung der bösen Tat zu erledigen.
Doch ich warte ich immer einen Moment zu lange, aus Furcht vor dem Stich. Nach einiger Zeit habe ich genug
und gehe an den Computer. Gegen 5 Uhr ist dann auch Illa wach, eine
Viertelstunde später sitzen wir am Frühstück und – nach dem Deponieren von zwei
Müllsäcken und einem letzten Kontrollblick auf mein geliebtes Treibhaus - befinden wir uns 20 Minuten nach 6 Uhr bei strömendem Regen auf der
Strasse.
Es regnet immer noch in Strömen als Illa gegen 9 Uhr Euros
am Bankomat der Raststätte Thusis zieht, wenig später, am Eingang eines Tunnels
und kurz vor dem Anstieg nach Sufers dann für 15 Minuten Stillstand, wir haben
schon Bedenken, dass unser schöner Vorsprung verloren geht. Plötzlich wird das
Programm von Radio SRF 1 unterbrochen, ein Polizist informiert, dass in einem
Tunnel der Bernardino-Route ein Lastwagen Panne hat. Wenig später geht es
weiter, tatsächlich sehen wir dann im Tunnel einen grossen roten Lastwagen, um
den aufgeregte Männer herumlaufen. Als wir dann bereits kurz vor dem
Bernardino-Tunnel sind, kommt die offizielle Meldung von SRF 1, hier heisst es,
dass der Lastwagen einen Unfall gehabt habe. Interessant ist, dass die Polizei
sich offenbar lokal in das offizielle Radioprogramm einblenden kann.
Entsprechend dem Wetterbericht erwarten wir auch im Tessin
nichts Gutes, doch als wir den Bernardino-Tunnel verlassen, nieselt es nur ein
wenig. Die Berge tragen flauschige Wolkengebilde in Form horizontaler Girlanden,
die entlang der Hänge nach unten führen, wie Wollstolen auf den Schultern eleganter
Damen.
Kurz nach neun Uhr überqueren wir die Grenze bei Chiasso, der
Himmel beginnt nun langsam aufzuhellen, jedoch hat die Sonne hat nicht die
Strahlkraft wie in der Erinnerung früherer Reisen durch die Poebene in den
Fünfzigerjahren, ich erinnere mich an unendlich lange Fahrten durch eine
staubige Ebene, zudem gab es damals keine Klimaanlagen.
![]() |
Autogrill - Lasciate ogni speranza voi che mangiate ! |
![]() |
Spaziergang zum Schloss Miramare in Grignano (Triest) |
Eigentlich hatte ich fürs Mittagessen den Besuch eines
Lokals nahe der Autobahnausfahrt in Bergamo vorgesehen, doch wir sind noch zu
früh und so essen wir kurz vor zwölf Uhr im Autogrill der Raststätte Sebino
Sud, beobachten den Strom der Autos, der stetig unter uns passiert und essen
eine Auswahl von Pasta, für die der Koch eigentlich in Dantes Hölle versetzt
gehörte. Als kleine Aufmunterung kaufe ich dann im Shop wieder mal ein Kochbuch
zu unserer schon viel zu grossen Sammlung hinzu, auf dem Deckel ein bärtiger
sympathischer Italiener, mit dem Titel «In Cucina commando io»! Bei Antonino
Cannavacciuolo handelt es sich um einen der besten Köche Italiens, der die
Küche des Restaurants «Villa Crespi» leitet und erst als wir wieder im Auto
sitzen erinnere ich mich daran, dass es sich dabei um das wie eine arabische
Moschee aussehende Hotel am Eingang von Orta San Giulio handelt, wohin wir
Illas Schwester zum Essen ausgeführt hatten. Wir passieren Padua, wenig später
Venedig und dann – gegen vier Uhr – erreichen wir die Ausfahrt von Grignano, einem
kleinen Vorort von Triest.
![]() |
Maximilian und Charlotte |
Das Navi führt mich geradewegs zum Restaurant «Tavernetta al
molo», wie der Name sagt, direkt am kleinen pittoresken Hafen gelegen. Dieses
Restaurant habe ich für den heutigen Abend vorgesehen, seine Homepage lässt
Gutes vermuten. Doch keine Menschenseele ist zu sehen, der Service beginnt erst
um sieben Uhr und auch am Telefon meldet sich Niemand.
Also fahren wir sofort weiter zum nur wenig entfernten
Schloss Miramare, es liegt am Ende einer Sackgasse, die romantisch am Seeufer
entlangführt, zur Rechten ein Hang mit einem wunderschönen Garten, wir
passieren eine Schranke und stellen den Wagen ab, laufen die kurze Strecke zum
Schloss, welches auf einem Felsen oberhalb dem Meer steht.
![]() |
Hier sass der Erzherzog, bevor er nach Mexiko aufbrach |
Das Schloss wurde um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts von
Erzherzog Maximilian von Habsburg für sich und seine Frau, Prinzessin Charlotte
von Belgien erbaut, als Admiral der österreichisch-ungarischen Flotte wollte er
ein würdiges Heim in der Nähe seines Arbeitsplatzes haben. Es wird berichtet,
er habe den schönen Ort bei einer gefährlichen
Seefahrt – es blies der örtliche
Sturmwind namens Bora – kennen und lieben gelernt.
Während wir durch die prunkvollen Räume wandern, wo die
beiden Aristokraten von zahlreichen Dienern umsorgt wurden, denke ich an das
traurige Ende dieses Mannes vor einem Erschiessungskommando in der
mexikanischen Stadt Queretaro. Der unverbesserliche Romantiker hatte sich von
Napoleon dem Dritten überreden lassen, die Mexikaner wünschten nichts anderes
als einen Habsburger als Regenten. Doch keinem der Bewohner hat dieses schöne
Schloss Glück gebracht. Später war es einer der
Eine Stunde später sind wir wieder am Hafen, noch immer
keine Bewegung in der
Tavernetta, obwohl ich auf meinem Kontrollgang bis zum
kleinen Hof hinter der Küche vordringe. Nach kurzer Ueberlegung setzen wir uns
an eines der Tischchen vor dem benachtbarten Restaurant «Principe ![]() |
Apero auf der Terrasse des Principe Metternich |
Gegen halb sieben Uhr zeigt sich endlich Bewegung in der
Tavernetta, einige junge Männer arbeiten in der Küche. Sie weisen uns für die
Wartezeit einen Aussentisch zu. Um 7 Uhr nähere ich mich einem älteren Mann,
den ich als Chef des Etablissements von der
![]() |
Die Hafenmole von Grignano |
Das Essen ist dann ein wahrer Traum, lässt das miese
Mittagessen vergessen. Wir wählen zur Vorspeise 2 Gerichte, «insalata tiepida
di Coda di rospo» und «capesante al basilico e pinoli»,
![]() |
Grigliata Mista - ein königlicher Genuss |
Zur Hauptspeise bekommen wir eine Grillplatte mit
Meerestieren aller Art, verschiedene Edelfische, Krustentiere, Polypen, Sepien
und «moschardini», winzige Tintenfischchen. Jeder dieser Meeresbewohner ist
optimal auf den Punkt grilliert und wir sind uns einig, dass wir hier
italienische Küche auf höchstem Niveau erleben, zusammen mit dem süffigen
friaulischen Weisswein, von dem ich als Autofahrer nur wenig geniessen kann,
eine gelungene Komposition, deren Abschluss mit zwei Espressi gefeiert wird.
![]() |
Il capo della cucina e la signora Illa in partenza |
Vorsichtshalber rufe ich gegen halb acht Uhr bei unserer
Wirtin an, am Telefon hat sie mir vorgestern gesagt, ich solle eine Stunde vor
der Ankunft beim Palazzo Brigido anrufen, damit sie uns den Schlüssel übergeben
kann, spätestens allerdings um 9 Uhr. Als wir fahren, begleitet uns der Chef
bis zum Auto und posiert mit Illa für ein Foto.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen