Sonntag, 26. Juni 2016

Ein zusätzlicher Tag in Meran

Das Hotel Freiheim bietet nicht nur ein Zimmer mit allem Komfort - Badezimmer, gut eingerichtete Küche mit Essecke - sondern auch ein aussergewöhnliches Frühstück. Als wir in den kleinen Saal kommen, sehen wir ein reichhaltiges Buffet, zusätzlich zum üblichen Angebot guter Hotels gibt es auch noch lokale Spezialitäten. Ich bestelle wie üblich Tee und bekomme hier ein spezielles
Die hübsche Enkelin der Hoteliers
Produkt, das so gar nicht nach "Reformhaus" schmeckt. Die Tochter des Hauses ist Kräuterspezialistin und hat einen Vertrieb für Natur- und Heilpflanzen, sie bezieht ihn von einem Bergbauern, Vieles sammelt sie jedoch auch mit ihrer hübschen Tochter, die uns heute bedient. In Ermangelung eines eigenen Fotos habe ich ein Bild des Hotels verwendet, wo alle Mitglieder dieser nicht unhübschen und netten Familie werbetechnisch eingesetzt werden. Der Sohn des Hotelier-Ehepaars, Vater des Mädchens, hat übrigens Informatik studiert, leitet eine Firma, welche das Zahlungswesen aller Raiffeisenbanken zentral organisiert. Der Enkel hingegen scheint wieder in die Fussstapfen des Grossvaters treten zu wollen, er ist in einer Hotelfachschule und arbeitet jetzt in seinen Ferien tüchtig mit. Daneben hat er noch viele Hobbies, unter anderem liefert er Beiträge für einen lokalen kirchlichen Sender. Inmitten der kulinarischen Herrlichkeiten liegt ein aufgeschlagenes Buch mit
Frau Nagler-Genetti mit Enkel
dem heutigen Datum, es stammt von einem Kräuterpfarrer, der für jeden Tag neben geistlichem Zuspruch auch Ratschläge aus der Kräuterküche gibt, offensichtlich ein Südtiroler Pfarrer Künzle. Auch dies weist auf die religiösen Interessen dieser Familie hin, bei der alle Mitglieder zusammenarbeiten.

Nach dem ausgiebigen Frühstück will ich das Navi für die Gärten von Schloss Trauttmansdorff programmieren, doch es verweigert den Dienst. Schon gestern hatte ich gemerkt, dass die Navigationssoftware nach jedem Aufstart zwar das Reiseziel akzeptierte, jedoch nach einiger Zeit mitten in der Tätigkeit einen Neustart vollführte, wonach sie nach längerem Warten wieder die Arbeit aufnahm. Dies ist natürlich besonders unangenehm, wenn es kurz vor einer wichtigen Kreuzung passiert. Wegen der totalen Befehlsverweigerung muss ich heute in altmodischer Weise nach dem Weg fragen, nach einigen Umwegen, die an diesem steilen Hang zwischen Villen und Weinbergen sackgassenmässig enden, finden wir dann endlich den Parkplatz des Schlosses.

Das 1846 von Josef von Trauttmansdorff, Graf der Steiermark auf der Ruine einer viel älteren Burg erbaute Schloss  war in den Siebzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts bevorzugter Aufenthaltsort von "Sissi", der Kaiserin von Oesterreich, wenn sie mit ihren beiden Töchtern jeweils nach Meran zur Kur ging. So wie wir mit Schloss Miramare, einem ihrer Lieblingsschlösser diese Reise begannen, so beendigen wir sie also mit einem anderen ihrer Lieblingsorte. Nach zahlreichen Wirren, insbesondere in der Zeit des Faschismus, wurden Schloss und Umfeld 1990 von der Südtiroler Landesverwaltung
Zweig einer Wollemie
übernommen und auf dem zwölf Hektaren grossen Areal ein herrlicher Garten geschaffen. Er besteht aus vier Zonen, die fliessend ineinander übergehen: Waldgärten, Sonnengärten, Wasser- und Terrassengärten sowie die Landschaften Südtirols mit seinem einzigartigen Klima, welches von fast subtropischer Vegetation bis zu den Gletschern der Alpen reicht. Eine besondere Attraktion ist übrigens die australische Wollemie, die hier zum ersten Mal gezeigt wurde, ein Exemplar einer erst 1994 von einem australischen Ranger in einer abgelegenen Schlucht entdeckten und äusserst seltenen Koniferenart, die zur Gruppe der Araukarien gehört. Wegen der besonderen Schönheit wurde dieser Garten übrigens 2005 zum schönsten Italiens gewählt.

Der Garten zieht sich, beim Schloss beginnend, einen Hang hoch, wir wählen nicht die kurze Route, welche immer wieder über Stiegen steiler nach oben geht sondern den weiteren Weg, der in weiten Serpentinen langsam nach oben führt. Auf halber
Höhe beginnt es zu regnen, wir steigen schnell zum Schloss herunter und setzen uns unter das Dach der Veranda des Cafes, trinken einen Apero, bis der kurze Guss vorbei ist. Dann nehmen wir wieder den Weg nach oben, durch die Pflanzen, deren Farben durch die Nässe intensiver wirken.

Bald liegt das Schloss tief unter uns, wir nähern uns, plötzlich stehen wir auf einer Terrasse vor einem kleinen Pavillon, auf der Metallsäulen verteilt sind, die oben eine Klappe besitzen. Wenn man diese öffnet und mit der Nase
Unter uns liegt Schloss Trauttmansdorff, dahinter das Tal von Meran unter Wolken
schnuppert, kann man Pflanzengerüche einatmen, deren Namen man erraten soll. Dies ist garnicht so einfach, wir erraten nur einige sehr charakteristische Gerüche wie z.B. Lavendel.

Im obersten Bereich treten wir durch ein schmiedeeisernes Tor in einem der Höhepunkte dieses Wundergartens ein, dem "Garten der Liebe", in dem Natur und Kunst eine beeindruckende Synthese gefunden haben. Er beginnt mit der Statue eines Mädchens, die vor einem Felsband längs des Weges steht und führt schräg ansteigend zu einem flachen Bereich mit einem Teich mit Inseln, von denen jede wieder Figurengruppen trägt, die alle dem Thema der Liebe gewidmet sind, auf schmalen Stegen kann man von Insel zu Insel gehen. Mit meinem reduzierten Gleichgewichtssinn laufe ich lieber um den See, der Weg führt entland der Felswand, welche hier durch hohe Büsche abgeschirmt ist, sodass sich kleine Nischen bilden, in denen wiederum Figurengruppen stehen, über die von oben herabkommendes Wasser fliesst.

Der Garten schliesst zuoberst mit einer Voliere ab, die man durch eine Schleusse mit zwei Türen betritt, innen zwei
Papageien und zahlreiche Wellensittiche. Damit haben wir die wesentlichen Teile dieser Anlage gesehen, mit Ausnahme des unten seitlich neben dem Schloss sichtbaren Wassergartens, der von einer japanischen Gartenarchitektin angelegt wurde. Doch wir sind nun müde und auch das Wetter ist zu unsicher für weitere Spaziergänge.

Wir kehren zum Auto zurück, es ist unterdessen Mittag geworden und wir suchen ein Restaurant mit Südtiroler Spezialitäten. Ich folge einer Strasse, welche zum Dorf Tirol führt, welches oberhalb von Meran liegt. Im Dorf fahren wir an mehreren gut aussehenden Gasthäusern vorbei, ich fahre noch weiter hoch bis zu einem urigen Gasthof, der den seltsamen Namen "Zum schlechten Seppl" trägt. Wir finden einen freien Tisch  und bestellen eine "Merende".

Dieses typische Südtiroler Gericht leitet seinen Namen vom italienischen "Merenda" ab und bezeichnet einen deftigen
Eine typische Südtiroler Platte: die Merende
Vesperteller, bestehend aus Speck und Schinken sowie lokalen Käsen, den man stilgerecht mit einem der vielen guten Südtiroler Weine begleitet. Illa zieht wie immer eine weisse Sorte vor, ich wähle einen leichten Roten. Dazu essen wir Vinschgauer Fladenbrot, welches fast nur aus köstlicher Rinde besteht, es ist die weichere Variante des steinharten Schüttelbrots, welches wir auch manchmal zuhause essen. Dabei erinnere ich mich an Erzählungen der früheren Putzfrau meiner Mutter, die aus einem Südtiroler Bauernhof stammte. Frau Zürcher erzählte, dass auf dem Hof nur alle paar Monate dieses Brot gebacken wurde. Wenn dann ein solcher harter Fladen auf den Tisch kam, schlug der Grossvater mit der Faust in seine Mitte, sodass es in zahlreiche Splitter zerschellte, wonach sich jedermann bedienen konnte.

Eine ausgezeichnete Tagliata
Nach einer Siesta auf unserem Zimmer fahren wir am späteren Nachmittag wieder in die Stadt, gerade als ich den Wagen in einer Tiefgarage geparkt habe, beginnt ein sintflutartiger Regenguss. Zusammen mit anderen Passanten stehen wir unter dem Vordach der Parkgarage, hinter uns das grosse Gebäude der Therme, vor uns die Etsch, deren Wasser durch den vielen Regen braungefärbt wild in ihrem Bett tobt. In einer Regenpause laufen wir über die Brücke zur Altstadt hinüber und folgen mit dem Besuch des Restaurants Sigmund einem Tipp, den uns das Hotelier-Ehepaar gegeben hat. Ich bekomme eine vorzügliche "Tagliata", ein vorzüglich auf den Punkt rosarot gebratenes Filet, welches in Scheiben geschnitten auf Rucola serviert wird.

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