Dienstag, 14. Juni 2016

In zwei Tagen geht's los !

In zwei Tagen geht's los!

Soeben habe ich mit diesem Blog begonnen, habe alle Schwierigkeiten überwunden, die sich einem Senior entgegenstellen, dessen Jugendzeit das Wort "Computer" nicht kannte. Ich kann mich noch heute an den Beginn dieses Zeitalters erinnern, es muss irgendwann in den späten Sechzigern gewesen sein, dass mein damaliger Chef Prof. Marincek mit grossem Stolz ein kleines Kästchen präsentierte, den erstem HP-Taschenrechner. So ein Ding brachte damals noch eine Menge Sozialprestige, immerhin lag sein Preis bei 1650 Franken und zu unserem grossen Staunen beherrschte es nicht nur die Grundrechenarten sondern auch noch eine ganze Menge von Funktionen, Sinus, Cosinus, Tangens, aber auch natürliche und dekadische Logarithmen, es konnte sogar programmiert werden, obwohl dies damals nur einige wenige hintereinander geschaltete Operationen waren.

Wir lebten damals im Zeitalter des Rechenschiebers, für höhere Genauigkeit wurde seine noblere Variante in Form einer Rechenscheibe verwendet, einige wenige Auserwählte besassen eine Curta, ein kleine zylindrische Rechenmaschine, die von einer Firma im Fürstentum Liechtenstein hergestellt wurde. Sie war ein mechanisches Wunderwerk wie eine astronomische Uhr, ihr Preis war entsprechend hoch und die Bedienung äusserst kompliziert. Für genauere Rechnungen verwendeten wir damals elektrische Rechenmaschinen, gross wie alte Schreibmaschinen und ihnen auch ähnlich in der Lärmentfaltung . Ich kann mich erinnern, dass Studenten sich einen Jux machten und schnell eine Division durch Null eingaben, bevor sie nach Hause gingen. Das arme Ding rasselte dann ohne Unterlass und konnte von den genervten Kollegen nur durch Ziehen des Netzsteckers gestoppt werden. Leider arbeitet man bei thermodynamischen Berechnungen oft mit Logarithmen und Exponentialfunktionen und daher blätterte ich in jenen prähistorischen Zeitenoft in den Tabellen der fünstelligen Logarithmentafel, wobei die letzte Stelle dann auch noch zeitaufwändig interpoliert werden musste.

Diese Zeit war dann nicht nur für unseren gutsituierten Chef sondern auch für uns vorbei, denn kurze Zeit darauf gab es dann schon wesentlich billigere Taschenrechner, z.B. von der Firma Sharp, die sogar schon ein Speicherelement in Form eines kaugummiartigen Magnetstreifens hatten, auf dem man bereits kleine Programme abspeichern konnte. Schon bald hatten wir ganze Bibliotheken mit den verschiedensten Berechnungen, damals eine unglaubliche Erleichterung der Rechenarbeit, aus heutiger Sicht allerdings extrem beschränkt. Vor einiger Zeit habe ich gehört, dass der Computer, welcher im Rahmen des Apollo-Programms die amerikanische Raumfähre sicher auf dem Mond zur Landung brachte, eine Rechenleistung besass, die nur einen Bruchteil der Kapazität eines heutigen Smartphones entsprach.

Noch etwas kommt mir in Erinnerung, es war die ungenierte und oft blödsinnige Art, wie die nun plötzlich mögliche Genauigkeit hemmungslos genutzt wurde. Plötzlich stand in einer Zeitung, die Zustimmung einer Umfrage habe bei 33.33 % gelegen. Dieser präzisen Angabe konnte man entnehmen, dass von den drei befragten Personen eine mit "ja" geantwortet hatte. Plötzlich gaben die Studenten Resultate mit fünf Stellen hinter dem Komma ab, das Resultat war falsch, aber dies mit höchster Präzision! Auch die Fehlerrechnung, die bei früheren Uebungen nur ungern dem Resultat beigesellt wurde, war nun immer vorhanden, mit allen möglichen Kennzahlen, die der Computer ausgespuckt hatte, wie "Kurtosis" als Kennzeichen einer Verteilung, obwohl der Student keine Ahnung von deren Bedeutung hatte.

In dieser Zeit sagte mein Vater, dass der Rechenschieber genau die richtige Genauigkeit für einen Ingenieur habe: die Distanz zwischen zwei Städten werde mit 121 km und nicht mit 121.3 angegeben, eine Tischbreite mit 985 mm und der Atomradius von Eisen mit 126 pm, in allen Fällen also mit drei Stellen, die vierte hätte in der Praxis meist keine technische Bedeutung. Genau diese drei Stellen würden jedoch durch den Rechenschieber gegeben. Natürlich kannte er damals nicht die Satellitennavigation, bei der die Position eines Autos von einer Vielzahl von Satelliten bestimmt wird, die mit einer Geschwindigkeit von 3.9 km/s die Erde in einer Distanz von 20'000 km umrunden. Doch für die "klassische" Ingenieurkunst war seine Bemerkung richtig und ich selbst konnte mich in meiner späteren Dozententätigkeit davon überzeugen, dass manchen Studenten ein wichtiger "Instinkt" des klassischen Ingenieurs verloren gegangen war: wenn man irgendeine Berechnung mit dem Rechenschieber macht, so bekommt man ein dreistelliges Ergebnis, z.B. 357, Dieses Ergebnis könnte jedoch alternativ 3.57 oder 35'700 sein, darauf gibt der Rechenschieber keine Antwort. Also musste ein früherer Ingenieur immer das Resultat im Kopf überschlagen, natürlich sehr ungenau im Sinne einer Grössenordnung. Doch auf diese Weise prägte man sich diese Grössenordnungen ein. Im Gegensatz dazu neigten manche Studenten dazu, das vom Computer ausgespuckte Resultat unbesehen zu übernehmen.

Auch in der Technik ergeben sich durch die exakteren Berechnungsmethoden paradoxerweise Gefahren. Die alten Römer hatten keine genauen Methoden zur Berechnung der Statik, also bauten sie mit grosser Ueberdimensionierung und die Porta Nigra steht immer noch in voller Grösse in Trier, die Kuppel des Pantheons in Rom ist stabil wie vor fast zweitausend Jahren. Die Ingenieure des Industriezeitalters hatten den Rechenschieber und glichen die fehlende Genauigkeit ihrer Theorien und Berechnungen durch Erfahrung und den sechsten Sinn aus. Heute, wo es möglich ist, auch komplexeste Situationen mit finite element-Methoden zu berechnen, kann man die Festigkeit von Baustoffen bis aufs letzte ausreizen. Doch wenn man etwas ausser Acht lässt oder wenn dieser Werkstoff einen unbekannten Defekt aufweist, dann fehlt plötzlich die Reserve einer konservativen Konstruktion.

Doch was rede ich! Man kann das Rad nicht zurückdrehen und man sollte es auch nicht tun! Heute sitze ich als Rentner in meinem kleinen Büro vor dem Computer. Mit einem Tastenklick befinde ich mich im CAD-Programm und kann meinen Vakuumrotor virtuell bis ins kleinste Detail konstruieren, viel einfacher, schneller und auch genauer als dies jemals am Reissbrett der Fall war. Mit einem weiteren Klick kann ich mir jeden Fachartikel aus dem Netz holen oder auch Kontakt zum Lieferprogramm einer Firma nehmen, kann mich ausgiebig informieren und anschliessen direkt per Mail eine Bestellung aufgeben. Und heute kann ich während einer Reise täglich meinen bebilderten Reiseblog schreiben und anschliessend umgehend veröffentlichen, früher nannte man so etwas Reisetagebuch ......

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